Hessen

Gerne bewerten wir aktuelle Mobilitätsthemen in Hessen aus einer ökologischen und nutzerorientierten Perspektive. Wir stehen für TV- und Radio-Statements zur Verfügung.

Für fundierte Hintergrundartikel oder Gastbeiträge vermitteln wir den Kontakt zum Landesvorstand und den hessischen Mitgliedern des Wissenschaftlichen Beirats des VCD.
 

Neueste Pressemitteilungen

Hessen, Bahn & Bus, Fuß & Fahrrad, Autoverkehr, Ländlicher Raum, Klimaschutz, Verkehrspolitik, Pressemitteilung
Landesverband Hessen

Bundesverkehrswegeplan (BVWP): Konsequent an der Verkehrswende vorbeigeplant

Am Montag, 2. Mai endet die Öffentlichkeitsbeteiligung zum Bundesverkehrswegeplan (BVWP) 2030. Der Verkehrsclub Deutschland (VCD), Landesverband Hessen e.V. fasst seine offizielle Stellungnahme ans Bundesverkehrsministerium und die Auswirkungen auf Hessen zusammen:

Mathias Biemann, VCD-Landesvorsitzender: „Der Entwurf des Bundesverkehrswegeplans wurde offenbar in einer Parallelwelt erstellt, in der das Abkommen von Paris, die eigenen Klimaschutzziele der Bundesregierung und veränderte Konsum- und Arbeitsgewohnheiten wie regionale Wirtschaftskreisläufe, Share Economy, der Fahrrad-Boom und Home Office nicht existieren.“ Im Hinblick auf die großen vier Verkehrsprobleme – Überlastung, Emissionen, Lärm und Flächenverbrauch – sei dieser Plan keine Lösung, sondern Teil des Problems.

Der Verkehr ist in Deutschland der einzige von sieben Sektoren, in dem trotz aller Ankündigungen die CO2-Emissionen seit 1990 nicht gesunken, sondern sogar gestiegen sind (Klimaschutzbericht der Bundesregierung 2015, S. 21). Die Verkehrsverlagerung vom Auto zur Bahn wird im Plan zwar immer wieder als Ziel genannt, schlägt sich aber nicht in der Mittelvergabe nieder: 55 Prozent wandern in den Straßenbau, nur 40 Prozent stehen für die Schiene zur Verfügung. „Obwohl allen bewusst ist, dass der Schalter dringend umgelegt werden muss, setzt Herr Dobrindt die Betonpolitik seiner Vorgänger unbeirrt fort.

Verkehrswachstum wird als gottgegeben oder sogar wünschenswert hingenommen und die Spirale der Belastungen damit immer weitergedreht. Das Wort Verkehrsvermeidung taucht auf 200 Seiten kein einziges Mal auf“, kritisiert Biemann. Der Bundesverkehrswegeplan gebe sein eigenes Versagen sogar zu: 'Die Vorhaben des BVWP induzieren teilweise [...] zusätzlichen Verkehr oder erlauben höhere Reisegeschwindigkeiten, die wiederum mit zusätzlichen Emissionen verbunden sind.' (S. 23)

„Die Bunderegierung konterkariert ihre eigenen Beschlüsse, die sie im Dezember 2014 im 'Aktionsprogramm Klimaschutz 2020' gefasst hat“, so der VCD-Vorsitzende. Das Aktionsprogramm propagiert u.a. die Verlagerung vom Individualverkehr zum öffentlichen Verkehr, die Stärkung des Schienengüterverkehrs, des Radverkehrs und von regionalen Wirtschaftskreisläufen als Ziele (Klimaschutzbericht der Bundesregierung 2015, S. 52-54). „Diese Ziele sind im BVWP entweder drastisch unterfinanziert oder überhaupt nicht berücksichtigt.“ Auch beim Flächenverbrauch verfehle der Plan mit knapp 3 Hektar/Tag das selbstgesteckte Ziel von max. 2 Hektar/Tag deutlich.

Hessen: Bahnknoten Frankfurt unterfinanziert, aber 1,5 Mrd. Euro für hessische Ortsumgehungen

Der Knoten Frankfurt ist für den mitteleuropäischen Personen- und Güterverkehr von herausragender Bedeutung. Ein Drittel aller Fernverkehrs-Verspätungen des deutschen Netzes entstehen hier. Für den VCD ist eine vollumfängliche Realisierung der Maßnahmen von höchster Priorität, um Pünktlichkeit, Betriebsqualität und Kapazität zu erhöhen. Die ebenfalls dringend notwendigen Projekte Nordmainische S-Bahn, Ausbau der S6 Frankfurt–Friedberg und Regionaltangente West dürften nicht zu Lasten der Knoten-Kernmaßnahmen gehen, sondern müssten mit zusätzlichem Geld – auch vom Bund – unterfüttert werden.

„Der so wichtige Bahnknoten Frankfurt bleibt auch mit dem neuen Plan chronisch unterfinanziert. Gleichzeitig sitzt beim Thema Straße das Geld offenbar locker“, so Biemann. Allein in Hessen sieht der Bundesverkehrswegeplan 60 Ortsumgehungen für insgesamt über 1,5 Milliarden Euro vor. Auf dem Papier rechneten sich diese nur, weil fragwürdige Kriterien wie minimale Fahrzeitgewinne schon ab 1-2 Minuten ein hohes Gewicht bei der Nutzenberechnung genössen.

Die einseitige Begünstigung der Straße gegenüber der Schiene zeigt sich laut VCD auch an einem anderen Punkt. So dienten 25 Prozent der aufgenommenen Straßenbauprojekte nicht direkt dem überregionalen Verkehr, beispielsweise kleinräumige Ortsumgehungen, die aber wegen ihres Status als Bundesstraße in den BVWP aufgenommen wurden. Beim Schienenverkehr seien solche kleinräumig bedeutenden Maßnahmen dagegen strikt aussortiert worden. Generell müsse die Unterscheidung in Fern- und Nahverkehr einem Realitäts-Check unterzogen werden: „Eine zwei Kilometer lange Bundesstraße zwischen zwei Dörfern kann nach BVWP-Logik mit Bundesmitteln für den Fernverkehr finanziert werden; die 20 Kilometer lange nordmainische S-Bahnstrecke von Hanau nach Frankfurt, die eine bedeutende Fernverkehrsstrecke entlastet, gilt dagegen als Nahverkehr und droht leer auszugehen. Das passt nicht zusammen.“

Das BVWP-Verfahren kranke an einem weiteren Fehler: Jedes Projekt wird nur für sich geprüft, Wechselwirkungen werden nicht berücksichtigt. „Ein attraktiver, bezahlbarer, pünktlicher ÖPNV, die Ausweitung der LKW-Maut auf Bundesstraßen, der Bau von Radschnellwegen – all diese Faktoren haben einen Einfluss auf die Belastung von Straßen, werden im Verkehrswegeplan aber ignoriert.“ Aussagen zur Verlagerung des Personenfernverkehrs von der Straße auf die Schiene fänden sich in keinem Einzelprojekt, sondern würden ganz hinten unter 'Weitere Analysen' versteckt, mit vernichtendem Ergebnis: 'Vor dem Hintergrund der gesamten Verkehrsleistung des MIV [Motorisierten Individualverkehrs] in Deutschland von rd. 9.000 Mio. Personenkilometern pro Jahr sind die berechneten Verlagerungen als eher unbedeutend einzustufen.' (S. 71) Der VCD-Landesvorsitzende Biemann kommentiert: ,,Deutlicher geht es nicht. Der Bundesverkehrswegeplan stellt sein eigenes Scheitern fest. Wenn der BVWP so umgesetzt wird, findet eine Verkehrsverlagerung nicht statt.“

Vorschläge des VCD Hessen:

Der VCD Hessen hat in seiner Stellungnahme u.a. folgende Vorschläge eingereicht:

 Schiene: Der Bund muss mehr Geld für den Bahn-Knoten Frankfurt bereitstellen, damit sowohl die gesamtdeutsche Zuverlässigkeit der Bahn gesichert ist, als auch die Projekte S6-Ausbau nach Friedberg, Nordmainische S-Bahn, Regionaltangente West finanziert.

• Schiene: Grundlage aller Maßnahmen muss der Integrierte Taktfahrplan ('Deutschlandtakt') sein. Statt mit Millionen auf Einzelrelationen wenige Minuten Fahrzeitgewinne herauszupressen, muss die gesamte Reisekette, mitsamt aller Umstiege, betrachtet werden.

• Schiene: Das Kriterium 'Pünktlichkeitsverbesserung' muss aufgenommen werden. Derzeit wird nur anhand rein theoretischer Fahrzeiten argumentiert.

• Schiene: Für die ABS/NBS Hanau – Fulda unterstützt der VCD die ergebnisoffene Trassenfindung des Dialogforums. Aufgrund der Überlastung der Strecke muss dieses Projekt unbedingt in die Stufe Vordringlicher Bedarf – Einpassbeseitigung (VB-E) eingestuft werden.

• Schiene: Für die Verbindung zwischen der Schnellfahrstrecke Hannover – Würzburg und der Bestandsstrecke Fulda – Bad Hersfeld – Bebra schlägt der VCD eine Trassenfindung südlich von Bad Hersfeld vor, sodass der Fernverkehrshalt in Bad Hersfeld beibehalten werden kann.

• Straße: Keine Maßnahme kann bei so geringen Kosten so viel Kapazitäts- und Sicherheitsgewinn erzeugen wie ein Tempolimit. Ein Tempolimit von 120 km/h würde die Kapazität der meisten hessischen Autobahnen automatisch erhöhen, ohne dass ein einziger Quadratmeter versiegelt werden muss.

 Straße:  Der VCD folgt der Bewertung des Umweltbundesamts (UBA) und schlägt die Streichung der beiden hessischen Autobahnprojekte A5?G20?HE?T2?HE (A5/A49 Reiskirchen) und A67?G10?HE (Mönchhofdreieck-Lorsch) vor. Beide würden große Flächen zerstören (38 bzw. 74 Hektar) und massive Nachteile für den Naturschutz sowie hohe Lärm-, Luftschadstoff- und CO2-Emissionen verursachen.

• Radverkehr: Die kostengünstigste Maßnahme, um im Verkehr CO2 einzusparen, ist der Radverkehr. Dieser muss im BVWP endlich ernsthaft berücksichtigt werden. Im Ruhrgebiet entsteht gerade ein Radschnellweg mit prognostizierten 50.000 Pendlerfahrten pro Tag. Spätestens mit dem Siegeszug der Elektrofahrräder haben Radschnellwege auch überregionale Bedeutung. Die Bundesregierung steht deshalb in der Pflicht, sie zu fördern. Für Hessen gehören die beiden geplanten Radschnellwege Frankfurt–Darmstadt und Frankfurt–Hanau in den BVWP.

zurück