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Gießen, Verkehrslärm, Verkehrspolitik, Pressemitteilung
Gießen

VCD wirft Stadt und Regierungspräsidium Untätigkeit beim Lärmschutz vor

Der Verkehrsclub Deutschland wirft dem Regierungspräsidium und der Stadt Gießen Untätigkeit beim Schutz der Bevölkerung vor Verkehrslärm vor. Gemäß des aktuell durch das Regierungspräsidium aufgestellten Lärmaktionsplans sind allein in der Stadt Gießen 4.000 Personen so hohem Lärm ausgesetzt, dass dringend gehandelt werden müsse

Gießen, 17.1.2020

Der Verkehrsclub Deutschland wirft dem Regierungspräsidium und der Stadt Gießen Untätigkeit beim Schutz der Bevölkerung vor Verkehrslärm vor. Gemäß des aktuell durch das Regierungspräsidium aufgestellten Lärmaktionsplans sind allein in der Stadt Gießen 4.000 Personen[1] so hohem Lärm ausgesetzt, dass dringend gehandelt werden müsse. Die Zahl der Betroffenen sei dabei noch deutlich unterschätzt, da der Lärmaktionsplan in vielen Straßen von deutlich weniger Autos ausgeht, als dort wirklich fahren. So hat das Regierungspräsidium z.B. mitgeteilt, dass es von 14.047 Fahrzeugen pro Tag in der Grünberger Straße ausgegangen sei[2]. In Wirklichkeit seien dort aber nach Zählungen der Stadt Gießen bis zu 24.605 Kfz pro Tag unterwegs. Der VCD kritisiert, dass das Land Hessen die bei der Stadt vorliegenden Verkehrsdaten nicht zugrunde gelegt habe.

Aus Sicht des VCD sei es inakzeptabel, dass die Stadt Gießen lediglich Maßnahmen für den Gießener Ring vorgeschlagen habe, jedoch keine einzige Maßnahme für die innerstädtischen Hauptstraßen, bei denen sie selbst zuständig sei und bauliche Maßnahmen ergreifen oder Tempolimits auf den Weg bringen könne[3]. Dies sei besonders unverständlich, da die Stadt sogar wiederholt die Bürger aufgerufen habe, Vorschläge zu Lärmschutzmaßnahmen einzureichen[4]. Von dieser Möglichkeit hätten die Bürger auch reichlich Gebrauch gemacht. So wurde u.a. in der am stärksten vom Lärm geplagten Straße Gießens[5], der Grünberger Straße, Tempo 30 nachts oder auch ganztags gefordert. Die Stadt Gießen habe dies jedoch ohne triftigen Grund abgelehnt[6], obwohl Tempo 30 neben der Lärmreduzierung auch der Verkehrssicherheit für Radfahrende helfen würde. Besonders irritiert sei der VCD davon, dass die Stadt Gießen behaupte, in der Grünberger Straße lägen „keine Lärmbelästigungen (…) vor, welche eine Belastung über das normal zu erwartende Maß einer innerstädtischen Hauptverkehrsstraße hinaus erkennen lassen“. Und dies obwohl das RP Gießen nachgewiesen habe, dass in keiner Straße des Regierungsbezirks Gießen die Lärmkennziffer höher liege[7], so Gerhard Born für den VCD.

Ebenso wurde aus der Bevölkerung vorgeschlagen, am Anlagenring gemeinsame Bus-und Fahrradspuren (Umweltspuren) oder Radfahrstreifen anzulegen, was u. a. dazu führen würde, dass Autofahrer die linken Spuren nutzen und der Lärm an den Häuserfronten zurückgeht. Obwohl Oberbürgermeisterin Grabe-Bolz erst jüngst wieder Radfahrstreifen am Anlagenring in Aussicht gestellt hat[8] und die Schaffung der Radspuren im Koalitionsvertrag fest verankert ist, habe eine Bürgeranfrage nun offenbart, dass die Stadtverwaltung genau diese Radfahrstreifen gegenüber dem Regierungspräsidium ausgeschlossen hat[9]. Aus Sicht des VCD führe hier die Verwaltung entweder ein Eigenleben oder der Magistrat breche bewusst die Versprechen, die er den Bürgern im Koalitionsvertrag gegeben hat.

Der VCD kritisiert aber auch das Land Hessen, denn dieses habe diverse Anregungen von Bürgern zum Lärmaktionsplan unterschlagen. Dabei ist das Regierungspräsidium Gießen als Behörde des Landes verpflichtet, alle Vorschläge aufzuführen, hierzu Stellungnahmen der zuständigen Behörden einzuholen[10] und diese im Plan aufzuführen. Dem VCD seien mehr als 15 Maßnahmenvorschläge bekannt, die im Rahmen der ersten Anhörung für das Stadtgebiet Gießen eingereicht, aber nicht im Entwurf aufgeführt wurden. Auch hier sei unklar, ob dies „versehentlich“ geschehen sei oder ob absichtsvoll Anregungen nicht aufgenommen wurden. Auffallend sei in jedem Fall, dass das Regierungspräsidium keine eigenen Vorschläge für Maßnahmen im Stadtgebiet Gießen gemacht habe, obwohl dies vorgesehen sei, wenn von Bürgern oder Kommunen keine oder nur unzureichende Maßnahmen vorgeschlagen werden. Dies alles deute darauf hin, dass das RP Gießen und die Stadt kein Interesse am Schutz der Bevölkerung vor Lärm habe und der Plan nur vorgelegt werde, weil die EU dies vorschreibe. Dass die Bevölkerung bereits in der Vergangenheit nicht gemäß den EU-Vorgaben beteiligt wurde, hat die EU zuletzt im Jahr 2017 kritisiert und daher ein EU-Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet[11].

Der VCD weist des weiteren darauf hin, dass viele andere Kommunen im Gießener Land ihre Bevölkerung aktiv vor Lärm schützen. Jeder, der die die B49[12], die L3481[13] oder die L3129[14] regelmäßig fährt, kenne nächtliche Tempolimits aus Lärmschutzgründen. Diese Tempolimits gebe es selbst in Kommunen mit CDU-Bürgermeister wie z. B. Linden, so dass der VCD verwundert ist, warum die Gießener Koalition aus SPD, CDU und Grünen sich gegen nächtliche Tempolimits ausspreche, die ihre Parteikollegen in Nachbarkommunen schon vor Jahren eingeführt haben.

Trotz dieser Missstände ruft der VCD alle Bürger auf, die unter Lärm an Hauptstraßen leiden, noch bis 21. Januar mit formlosem Schreiben Tempo 30 nachts oder auch ganztags beim Regierungspräsidium Gießen (laermaktionsplanung-strasse@rpgi.hessen.de) einzufordern. Die Stadtpolitik fordert der VCD auf, sich in den Ausschüssen mit dem Lärmproblem der Stadt auseinanderzusetzen und mindestens nachts überall dort Tempo 30 einzuführen, wo die Lärmgrenzwerte überschritten sind. Tempo 30 nachts sorge für ruhigen Schlaf und gesunde Bürger.

 


[1] Vgl. Abbildung 11 (Seite 69) des Entwurfs des Lärmaktionsplans des RP Gießen https://rp-giessen.hessen.de/sites/rp-giessen.hessen.de/files/2019_11_22_ENTWURF%20L%C3%A4rmaktionsplan%20Teilplan%20%20RPGI_BF.pdf

[2] Vgl: Antwort des RP Gießen „Zu Punkt 7“ https://fragdenstaat.de/anfrage/larmaktionsplan/442922/anhang/Anfragenach3Abs.1HUIG_geschwaerzt.pdf

[3] Vgl. Maßnahmenvorschläge der Stadt Gießen: https://fragdenstaat.de/anfrage/larmaktionsplan/442922/anhang/ManahmenGieengesamt.pdf

[4] Vgl. https://www.giessen.de/index.php?object=tx,2874.5&ModID=255&FID=2874.1671.1

[5] Vgl. S. 73 des Entwurfs des Lärmaktionsplans des RP Gießen https://rp-giessen.hessen.de/sites/rp-giessen.hessen.de/files/2019_11_22_ENTWURF%20L%C3%A4rmaktionsplan%20Teilplan%20%20RPGI_BF.pdf

[6] Vgl. Antwort des RP Gießen „Zu Punkt 4“

[7] Vgl. S. 73, S. 167, S.179 und S. 283 des Entwurfs des Lärmaktionsplans des RP Gießen https://rp-giessen.hessen.de/sites/rp-giessen.hessen.de/files/2019_11_22_ENTWURF%20L%C3%A4rmaktionsplan%20Teilplan%20%20RPGI_BF.pdf

[8]https://www.giessener-allgemeine.de/giessen/grabe-bolzich-fuehle-mich-nicht-erschoepft-13376247.html

[9] Vgl. Antwort des RP Gießen „Zu Punkt 1“ https://fragdenstaat.de/anfrage/larmaktionsplan/442922/anhang/Anfragenach3Abs.1HUIG_geschwaerzt.pdf

[10] Vgl. Kapitel 5.7 des Verfahrenshandbuchs Lärmaktionsplanung https://rp-giessen.hessen.de/sites/rp-giessen.hessen.de/files/content-downloads/Verfahrenshandbuch_Laermaktionsplanung_Stra%C3%9Fenverkehr_bf%20%28002%29.pdf

[11] Vgl. https://ec.europa.eu/germany/news/20171004-vertragsverletzungsverfahren-beschluesse-zu-deutschland_de
www.thueringen.de/mam/th8/tlug/images/abt4/vertragsverletzungsverfahren_ul.pdf

[12] Z. B. Ortsdurchfahrt Reiskichen https://www.mapillary.com/map/im/TYvHB0kSwwcBNHCHX9J4mA, Ortsdurchfahrt Lindenstruth https://www.mapillary.com/map/im/jZu-0C3nUbGraMVeFiKlYg

[13] Z.B. Ortsdurchfahrt Laubach-Münster: https://www.mapillary.com/map/im/1kqkv4kknRs9kEZGV3OUZQ

[14] Z.B. Ortsdurchfahrt Großen-Linden https://www.mapillary.com/map/im/EjVZ-ZVzK69qXHpW7R6mgw

 

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