Hessen,
Bahn & Bus,
Klimaschutz,
Verkehrspolitik
Darmstadt & Darmstadt-Dieburg
In einem offenen Brief haben wir uns an die Stadtverordneten der Stadt Darmstadt gewendet, um die Lichtwiesenbahn zu unterstützen. In der Sitzung am Donnerstag, 27. September 2018 entschied die Stadtverordnetenversammlung dann mit 34:31 Stimmen, das Projekt wie geplant fortzusetzen.
Sehr geehrte Damen und Herren Stadtverordnete,
erneut steht heute die Straßenbahnanbindung der Lichtwiese auf der Tagesordnung Ihrer Sitzung. Wir bitten Sie nachdrücklich um Ihre Zustimmung zu der Maßnahme.
Wir teilen dabei die Kritik, dass die nun zur Beschlussfassung anstehende Kostenerhöhung ärgerlich und schmerzhaft ist. Gleichfalls können wir hierfür objektiv keinen Vorwurf an den Vorhabenträger richten: Die Kostensteigerung ist nur zu einem sehr geringen Teil (etwa 20% der kommunalen Mehrkosten) auf Aspekte rückführbar, die im Vorfeld zu verhindern gewesen wären. Namentlich zu erwähnen sind ausweislich der Ihnen vorliegenden Vorlage eine zusätzliche gesicherte Fußgängerquerung, die Verlegung von weiteren Leitungen sowie die Annahme einer etwas verlängerten Bauzeit. Alle genannten Aspekte sind nicht bauuntypisch, da eine Maßnahme aufgrund neuerer Erkenntnisse oder geänderter Anforderungen sich bis zu Ihrer Fertigstellung immer wieder in Nuancen verändert; auch das Baugrundrisiko lässt sich auch bei noch so intensiver Suche niemals restlos ausschließen.
Im Wesentlichen werden die Mehrkosten jedoch ausgelöst durch die nun prognostizierte Steigerung der Bau- und Baunebenkosten um ca. 30% (anteilig rund 70% der kommunalen Mehrkosten). Ursächlich hierfür ist die aktuell völlig überhitze Baukonjunktur nach Jahren eines ruinösen Wettbewerbs im Baugewerbe, weshalb im Querschnitt die verbliebenen Firmen sich die Aufträge faktisch aussuchen und damit entsprechende Preise aufrufen können. Es ist hierbei leider davon auszugehen, dass neben der originären Mehrkosten durch die stattgefundene Projektunterbrechung (rund 10% der kommunalen Mehrkosten), eben diese Projektunterbrechung wesentlich zu dieser nun prognostizierten Kostensteigerung beigetragen hat.
Umso mehr bitten wir Sie daher, nun die Signale für die Straßenbahnanbindung der Lichtwiese auf Grün zu stellen. Schon seit langer Zeit sind Studierende und Beschäftigte auf der Lichtwiese sowie insbesondere die Bewohner des Woogsviertels von einem Sardinenbüchsen-ÖPNV betroffen. Alternative Konzepte die dem wirkungsvoll etwas entgegensetzen würden, sind trotz verschiedener immer wieder erprobter Ansätze nicht in Sicht. Nur eine Straßenbahnanbindung der Lichtwiese verspricht hierfür eine Lösung.
Wir begrüßen daher die von uns verifizierte Auskunft des Fördergebers, weitere zu dem Projekt zu stehen und die Mitfinanzierung sicherzustellen. Ein weiteres Zuwarten würde nicht die betroffenen vorhandenen und potenziellen Fahrgäste auf unbestimmte Zeit im Regen stehen lassen, sondern unabdingbar bei einer späteren Wiederaufnahme des Projektes erneut massive Mehrkosten nach sich ziehen und im Ergebnis eventuell dazu führen, dass die Förderfähigkeit tatsächlich nicht mehr gegeben ist.
Wir appellieren an Sie als gewählte Vertreter der Stadtgesellschaft, diese Chance einer nachhaltigen Stadt- und Mobilitätsentwicklung wider aller Bedenken nicht zu gefährden. Es wäre ein fatales Signal für die Zukunftsfähigkeit dieser Stadt und die angrenzende Region das Projekt Lichtwiesenbahn bei vorliegendem Baurecht nun die Notbremse zu ziehen. Wie sollte dem Verwaltungsgericht in Wiesbaden, welches demnächst über ein Dieselfahrverbot zu entscheiden hat, anschließend noch glaubhaft vermittelt werden, dass die Stadt über schriftliche Absichtsbekundungen in den Luftreinhalteplänen hinaus auch ganz praktisch in der Lage ist, Maßnahmen zur Senkung der Schadstoffbelastung zu ergreifen? Nur mit der Lichtwiesenbahn wird es aktuell gelingen, rund 10 Mio. Euro Förderung für den Ausbau des ÖPNV in Darmstadt zu akquirieren, die für keine Lösungsansatz mit einem Busbetrieb zur Verfügung stehen.
Wir bitten Sie daher den Blick dafür zu weiten, dass die Lichtwiesenbahn in der nun geplanten Form nicht in erster Linie eine Zusammenstellung verpasster Chancen, sondern der erste Schritt von einem größeren Ganzen ist. Auch wir würden eine Straßenbahnanbindung der Lichtwiese bei gleichzeitiger Erschließung und dringend benötigtem Stadtumbau im Woogsviertel bevorzugen; auch wir sind der Meinung, dass die Weiterführung bis zum Haltepunkt der Odenwaldbahn das Projekt schlüssiger machen würde. Aber wir nehmen auch zur Kenntnis, dass im Sinne der ÖPNV-feindlichen standardisierten Bewertung hierfür unter den gegebenen Rahmenbedingungen kein positiver Nutzen errechnet werden kann und somit auch keine Fördermittel zu erwarten sind.
Dies muss und sollte jedoch nicht bedeuten, dass damit das Ende der Entwicklung erreicht ist. Bedenken Sie die in jüngster Vergangenheit erfolgten Streckenverlängerungen nach Alsbach und Arheilgen sowie die aktuell in Prüfung befindliche Verlängerung der Straßenbahnstrecke in Griesheim. Eine perspektivische Anbindung des Woogsviertels per Straßenbahn ist perspektivisch auch durch z.B. einen Ringschluss von der Lichtwiese durch das Woogsviertel zum Roßdörfer Platz zu erreichen, was betrieblich erhebliche Vorteile nach sich ziehen würde. Die Anbindung von Weiterstadt, sowie Roßdorf und Groß-Zimmern, der Heimstädtensiedlung und der Konversionsgebiete im Bereich der ehemaligen Cambrai-Fritsch-Kaserne an das Straßenbahnnetz – um nur einige zu nennen – sind weitere wichtige und dringliche Netzergänzungen.
Wir werben um Ihre Mithilfe, diese Netzergänzungen zukünftig nicht mehr im Rahmen kleinteiliger Betrachtungen durchzuführen, die sich letztendlich in Details verlieren und durch die standardisierte Bewertung nicht begünstigt werden. Stattdessen schlagen wir vor, den aktuellen Aufstellungsprozess des Nahverkehrsplanes auch dafür zu nutzen, ein Straßenbahnzielnetz 2030 zu entwickeln und für dieses als Ganzes eine Nutzenbetrachtung durchzuführen. Beispiele wie Heidelberg und aktuell in Wiesbaden zeigen, dass durch diese systemische Netzbetrachtung wesentlich bessere Chancen bestehen, mögliche Fahrgast- und Reisezeitpotenziale zu erschließen und es erst durch die Netzbetrachtung möglich wird Netzabschnitte realisieren zu können, die für die Netzwirkung von Bedeutung sind, aber für sich genommen nur eine überschaubare Erschließungsfunktion haben.
Ganz konkret bitten wir Sie daher, der Straßenbahn zur Lichtwiese heute mit der Maßgabe zuzustimmen, das Straßenbahnzielnetz 2030 unverzüglich auf den Weg zu bringen.
Mit freundlichen Grüßen
Sabine Crook Vorsitzende | Stephan Voeth stellv. Vorsitzender | Felix Weidner stellv. Vorsitzender | David Grünewald Kassierer |