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Frankfurt & Rhein-Main
Frankfurt, 27.5.2018:
Vor 40 Jahren, am 28. Mai 1978, wurde das erste Teilstück des Frankfurter S-Bahntunnels in Betrieb genommen. An der empfindlichen Schlagader des Öffentlichen Nahverkehrs wurde aber noch Jahrzehnte gebaut, bis sie als City-Tunnel in der heutigen Ausdehnung fertiggestellt werden konnte. Heute nutzen täglich gut eine halbe Million Fahrgäste die S-Bahnen. Kaum vorzustellen, was auf den Straßen von und nach Frankfurt los wäre, hätte die Politik in den 1960er-Jahren allein nach betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten gehandelt – denn die Idee galt damals als unrentabel.
Rechtzeitig zum Jubiläum sollen endlich auch S-Bahnen die gesamte Nacht fahren und das neue elektronische Stellwerk in Betrieb gehen. Für den Einbau und den Test der neuen Technik mussten die Fahrgäste über 3 Jahre hinweg Sperrungen und Behinderungen ertragen. „Nicht wenigen war das zu viel, sie sind wieder auf das Auto umgestiegen“, weiß Mathias Biemann vom Verkehrsclub Deutschland aus Berichten von Bekannten und Arbeitskollegen oder Beschwerden von verärgerten Fahrgästen. „Entsprechend groß ist unsere Hoffnung, dass die Startprobleme der neuen Technik gering bleiben und das Vertrauen durch mehr Pünktlichkeit und weniger verpasste Anschlüsse wiederhergestellt wird.“
Doch er ist überzeugt, dass es mehr braucht als nur den flüssigeren Betrieb im City-Tunnel. Der wird nämlich sehr häufig durch Ereignisse außerhalb, nämlich auf den oberirdischen Streckenabschnitten, durcheinander gebracht. „Probleme machen der Mischverkehr mit der Eisenbahn und eingleisige Streckenabschnitte auf den Linien S8 und S9. Das macht diese Linien zu den verspätungsanfälligsten im S-Bahn-Netz“, bemängelt Biemann. Auch auf der S3, nächste im Ranking der unpünktlichsten Linien, kommt es durch den eingleisigen Abschnitt vor Darmstadt häufig zu Verzögerungen im Betriebsablauf.
Und es gibt noch deutlich mehr Problemstellen. Das Projekt „S-Bahn-Plus“ sollte die Formel für mehr Zuverlässigkeit werden: Viele „kleine“ Baumaßnahmen sollten das Bahnnetz in Summe zuverlässiger machen. Doch das Programm ist weit hinter der ursprünglichen Terminplanung zurück. „Die Bahn, das Land Hessen, die Kommunen entlang der betroffenen Streckenabschnitte und der RMV müssen hier mehr Einigkeit zeigen, um das Projektziel zu erreichen“ mahnt der VCD-Mann.
Hinzu kommt der berechtigte Wunsch nach Neubaustrecken, der die Situation nicht verbessern werde, sofern die Verbesserungsmaßnahmen weiter nur so zögerlich vorankommen. „Schon der neue S-Bahn-Halt in Gateway-Gardens wird für die Pünktlichkeit der S8 und S9 zu einer neuen Herausforderung werden. Kommt dazu später noch die zusätzliche Streckenbelastung durch die neuen Linien der Regionaltangente West (RTW), sind Verspätungen schon vorprogrammiert, wenn nicht auch etwas gegen die Engpässe rund um den Flughafen-Regionalbahnhof getan wird“, ist Biemann überzeugt.
Auch der VCD wünscht sich weitere Neubauprojekte, wie die RTW, die Nordmainische S-Bahn, den Ausbau der Taunusbahn oder eine Osttangente um Frankfurt, die neue Nahverkehrs-Angebote schaffen und mehr Menschen auf die umweltfreundliche Schiene bringen. Doch vermisst der Umwelt- und Verbraucherverband hier das Engagement des Landes Hessen. Es fehlt ein zentrales Organ, das die Entwicklung des Schienenverkehrs in Hessen zukunftsorientiert plant, verbindliche Vorgaben für die Entwicklung des gesamten Nahverkehrssystems formuliert und koordinierend eingreift, wenn sich die vielen an der Umsetzung beteiligten Organisationen, Gesellschaften und Gebietskörperschaften einmal wieder nicht einig sind.
Mutige Beschlüsse, wie in den 1960er-Jahren, sind notwendig. Die damalige Entscheidung, ein betriebswirtschaftlich nicht rentables Großprojekt weiterzuverfolgen ist zu einem volkswirtschaftlichen Erfolg geworden.
Mathias Biemann
VCD Verkehrsclub Deutschland e.V.
Regionalgruppe Rhein-Main