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Unterlagen unvollständig – Lindener Bebauungsplan „Am Bahnhof“ kann so nicht beschlossen werden

Als „nicht entscheidungsreif“ bezeichnet der Kreisverband des Verkehrsclubs Deutschland (VCD) die Vorlagen des Flächennutzungsplans sowie des Bebauungsplans „Am Bahnhof“, die am kommenden Dienstag von der Lindener Stadtverordnetenversammlung beschlossen werden sollen. Der VCD fordert die Parlamentarier*innen auf, die Abstimmung zu verschieben, bis aussagekräftige Unterlagen vorgelegt werden.

Als „nicht entscheidungsreif“ bezeichnet der Kreisverband des Verkehrsclubs Deutschland (VCD) die Vorlagen des Flächennutzungsplans sowie des Bebauungsplans „Am Bahnhof“, die am kommenden Dienstag von der Lindener Stadtverordnetenversammlung beschlossen werden sollen. Der VCD fordert die Parlamentarier*innen auf, die Abstimmung zu verschieben, bis aussagekräftige Unterlagen vorgelegt werden. Der aktuell gültige Regionalplan Mittelhessen gibt vor, dass entlang der Main-Weser-Bahn ausreichend Platz für ein optionales drittes und viertes Gleis vorgehalten muss. Die Prüfung, ob nach Errichtung des geplanten Wohnkomplexes noch zusätzliche Gleise gebaut werden können, ist im Rahmen der vorliegenden Bauleitplanung aber nicht im ausreichenden Maß erfolgt. Zwar wurden zwei Querschnittsprofile von geplanten Gebäuden und Bahnanlagen eingereicht, in denen je zwei weitere Gleise eingezeichnet sind. Diese Zeichnungen sind allerdings an entscheidenden Stellen mangelhaft, die zwingend notwendigen und zusätzlichen Platz benötigenden Bahnsteige sind hierin nicht enthalten. Die durch das Regierungspräsidium erfolgte Prüfung der Unterlagen wurde somit auf Basis von unvollständigen Unterlagen durchgeführt, so der VCD.
Hinzu kommen zahlreiche weitere bahntechnische Fragestellungen, die in den Unterlagen nicht oder nur unzureichend geklärt wurden. Der VCD fordert die Stadt Linden auf, die Vereinbarkeit der Pläne mit der Zukunftsoption auf zwei weitere Gleise und damit die Konformität mit dem Regionalplan anhand belastbarer Untersuchungen zu belegen. Hierfür muss ein qualifiziertes Ingenieurbüro für Bahninfrastruktur unter Berücksichtigung von möglichen Betriebskonzepten und aktuellen Bauvorgaben für Bahnsteige, Gleisabstände, Oberleitungsmasten-Gassen, Entwässerungskanälen, Abstandsregelungen zu Oberleitung und Fundamenten, Erschütterungsschutz, Barrierefreiheit und gesetzlich vorgeschriebene Lärmschutzmaßnahmen tätig werden. Die bislang vorliegenden Profile weisen Fehler und erhebliche Lücken auf. Da künftige Bahnsteig- oder Gleisanlagen in die im Flächennutzungsplan vorgesehene Schutzfläche für Reptilien eingreifen, müssen auch naturschutzrechtliche Aspekte eine Rolle spielen.
Wichtig ist ebenfalls, dass eine ausreichende Flexibilität für zukünftige bahn- bzw. betriebstechnische Erfordernisse gewahrt bleibt und keine zusätzlichen Zwangspunkte entstehen, die bestimmte Anforderungen an den Bahnbau ausschließen oder den Bau erheblich verteuern. So müssen sowohl Seitenbahnsteige als auch ein Mittelbahnsteig möglich bleiben, ebenso eine Verschiebung der Gleisachsen oder ein Ausbau der Streckengeschwindigkeit. Der Entwurf des künftigen Regionalplans Mittelhessen berücksichtigt dies durch die geforderte Freihaltung von je 15 Meter breiten Korridoren zu beiden Seiten einer zweigleisigen Bahnstrecke. Nach Auffassung des VCD muss dies auch bei der aktuellen Bauleitplanung beachtet werden.
Auch wenn das dritte und vierte Gleis an der Main-Weser-Bahn aktuell noch nicht in der konkreten Diskussion ist, zeichnet sich der Bedarf für den VCD bereits ab. Südlich von Friedberg gibt es künftig mit zwei Regional- und Fernverkehrsgleisen und den zwei in Bau befindlichen S-Bahn-Gleisen nach Frankfurt sowie zwei Gleisen Richtung Hanau insgesamt sechs Gleise, nördlich und westlich von Gießen mit zwei Gleisen aus Kassel und zwei Gleisen aus Siegen insgesamt vier Gleise. Dazwischen liegt dann – wie ein Nadelöhr – die zweigleisige Main-Weser-Bahn zwischen Gießen und Friedberg, auf der künftig durch von der Rheinstrecke verlagerten Güterverkehr und dem notwendigen Ausbau des Regionalverkehrs von deutlich mehr Zugverkehr auszugehen ist. Eingeschränkte Streckenkapazitäten führen in der Regel auch dazu, dass Halte an Unterwegsbahnhöfen gestrichen werden müssen – Großen-Linden könnte dann also selbst betroffen sein und auf die gewünschte Direktverbindung nach Frankfurt wieder verzichten müssen.
Pro Bahn & Bus, Pro Bahn Mittelhessen, und weitere im Bündnis ÖPNV-Wende Mittelhessen zusammengeschlossene Aktive unterstützen die Forderung nach einem Aussetzen des Planungsverfahrens bis Klarheit über die Vereinbarkeit mit dem Regionalplan geschaffen ist. Deutschland muss seine Klimaziele erreichen und dazu dürfen dem Ausbau des Bahnverkehrs keine Steine – oder hier Häuser – in den Weg gelegt werden. Es wäre im Ergebnis verheerend, wenn der Ausbau einer regional wie überregional wichtigen Bahnverbindung durch ein rein lokales Bauprojekt ver- oder behindert würde.

Hinweis:
Die angesprochenen Querschnittsprofile sind hier auf Seite 9 zu finden:
https://www.sitzungsdienst-linden.de (pdf)

Transparenzhinweis:
Im Nachgang dieser Pressemitteilung hat sich geklärt, dass das Querschnittsprofil 1 „Mehrfamilienhaus III“ die Situation in Höhe der Bahnsteige zeigt. Die Aussage, dass in Höhe der Bahnsteige des Bahnhofes Großen Linden keine Querschnittsprofile vorliegen, war deshalb nicht korrekt. Dies wurde hier angepasst. Inhaltlich ist unverändert, dass in keinem Querschnittsprofil Bahnsteige berücksichtigt wurden.

 

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