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VCD: Zum Fahrplanwechsel kaum Verbesserungen im Gießener Busverkehr

Zum aktuellen Fahrplanwechsel wollte die Stadt Gießen die erste Stufe des "Zielkonzeptes Stadtbus 2023+" umsetzen. Davon ist aber bisher nichts zu spüren. Auch andere Verbesserungen lassen auf sich warten. Positiv ist jedoch eine neue Haltestelle in Lützellinden, die seit Jahren gefordert wird.

Groß war die Aufbruchstimmung im Jahr 2022: Mit dem neuen Nahverkehrsplan hatte die Stadtverordnetenversammlung den Auftrag erteilt, das "Zielkonzept Stadtbus 2023+" umzusetzen. In vier jährlichen Stufen sollen bis Dezember 2026 das Fahrtenangebot um 50% erhöht  und mehrere neuen Buslinien im Stadtgebiet eingeführt werden. Der erste Baustein sollte am 10.12.2023 starten: So sollten jetzt die Linien 3 und 13 auf direktem Weg vom neuen Friedhof über Oswaldsgarten, Berliner Platz und Ludwigstraße zum Schwarzacker oder Schlangenzahl fahren, die neue Linie 14 vom Sandfeld über Berliner Platz und Ulner Dreieck zum Dialysezentrum. Das Linientaxi 2 sollte durch eine feste Buslinie mit der Nummer 12 ersetzt werden, die vom Gewerbegebiet West bis ins Europaviertel fährt. Doch all diese Pläne werden nun zum aktuellen Fahrplanwechsel nicht umgesetzt. Begründet wird das mit dem bisher nicht abgeschlossenen Umbau der Ludwigstraße, der noch bis mindestens Mai andauern wird. Dass man neue Linien nicht auf gesperrten Straßen in Betrieb nehmen kann, weiß auch der VCD. Doch wenigstens zum „kleinen Fahrplanwechsel“ im Sommer 2024 sollte die Stadt nach Ansicht des VCD die erste Stufe des neuen Buskonzepts realisieren können. Hieran bestehen Zweifel, denn die Onlineauskunft zeigt bisher, dass die Busse auch im Herbst noch auf den alten Linien fahren sollen. Der VCD kritisiert auch, dass auf der Linie 17, die das US-Depot erschließt, keine Taktverbesserung vorgenommen wird. Dort kommt morgens der erste Bus um 7:05 Uhr an, obwohl der Schichtwechsel bei den großen Logistikunternehmen laut Verkehrsuntersuchungen morgens schon zwischen 5 Uhr und 7 Uhr erfolgt. Der abendliche Schichtwechsel findet zwischen 21 Uhr und 23 Uhr statt, doch der letzte Linienbus verlässt das ehemalige US-Depot bereits um 21:41 Uhr. Für die 2.250 täglichen An-/Abfahrten der Beschäftigten bietet die Stadt demnach kein ausreichendes ÖPNV-Angebot. Dabei wäre es leicht, so der VCD, „morgens vor Schulbeginn und abends nach 21 Uhr die Busse fahren zu lassen, wo sie nun stattdessen auf dem Betriebshof der Stadtwerke ungenutzt stehen.“ Der Verkehrsclub bezweifelt angesichts dieses Fahrplans, dass das Fahrtenangebot der Linie 17 mit dem neuen Großbetrieb abgestimmt wurde. „Wenn auch nur 10% der Beschäftigten den Bus nutzen würden, käme es schon zu Kapazitätsproblemen“, so der VCD.

Der VCD hätte sich zudem gewünscht, dass weitere Maßnahmen aus dem beschlossenen Nahverkehrsplans (NVP) mit dem jetzigen Fahrplanwechsel umgesetzt werden. So empfiehlt der NVP, bis zu 21 neue Bushaltestellen an bestehenden Buslinien „sofort“ umzusetzen, so z.B. in beiden Richtungen je eine neue Haltestelle in der Grünberger Straße in Höhe der Straße „Am Brennofen“, an der viele der Stadtbuslinien stadteinwärts wie stadtauswärts halten könnten. Auch im Bereich Nordanlage empfiehlt der NVP, dass in beiden  Richtungen eine   Haltestelle „Wetzsteinstraße“ sofort in Betrieb gehen soll und von den Linien 3 und 13 angefahren wird. Hierdurch könnten die dortigen Wohngebiete, die Innenstadt und die Ricarda-Huch-Schule mit kurzen Fußwegen ans Stadtbusnetz angeschlossen werden.

Der VCD bedauert, dass auch die im NVP-Entwurf vorgesehenen Bushaltestellen „Rinn’sche Grube“ und „Wellersburgring“ in der Marburger Straße dieses Jahr wieder nicht in Betrieb gehen konnten, obwohl im Haushalt dafür sogar Finanzmittel eingestellt waren. „Wir hoffen, dass diese Haltestellen nun zügig hergestellt werden. An vielen anderen Stellen reicht es „fürs Erste“, ein Haltestellenschild aufzustellen. Eine Haltestelle ohne Wartehalle und Hochbord ist immer noch besser als keine Haltestelle“, so der Verkehrsclub. Diese Verbesserungen könnten auch im laufenden Fahrplanjahr umgesetzt werden.

Immerhin einen „Lichtblick“ sieht der VCD auf der Linie 1 in Lützellinden, die endlich eine Bushaltestelle im Gewerbegebiet Rechtenbacher Hohl erhält. Dorthin fuhr der Bus zum Wenden schon seit vielen Jahren, doch Ein- und Aussteigen durfte niemand, obwohl dies der VCD, der Fahrgastbeirat und der Ortsbeirat schon seit Jahren (!) gefordert haben.

Jenseits des Fahrplanwechsels zeigt sich der Verkehrsclub enttäuscht darüber, dass der Busverkehr auch in diesem Jahr an Heiligabend schon um 17 Uhr eingestellt werden soll. Bereits 2017 hatte der Fahrgastbeirat darum gebeten, dass Angebot auch nach 17 Uhr aufrechtzuerhalten, damit z. B. Beschäftigte des Klinikums oder auch Gottesdienstbesucher und -besucherinnen am Abend noch den Bus nutzen können. Auch wird der spätere Abend von vielen Jüngeren seit Jahren gerne zum Ausgehen genutzt. Kurz: Mobilität findet auch an Heiligabend statt - und damit besteht auch ein Bedarf an öffentlichem Personennahverkehr. Der VCD fragt: „Warum wird der Fahrgastbeirat als Beratungsgremium und Interessenvertretung der ÖPNV-Nutzenden so wenig ernst genommen?“

Resümee des Verkehrsclubs: „Die Richtung stimmt ja, aber der ÖPNV-Ausbau findet in Gießen teilweise noch im Schneckentempo statt. Das verträgt sich auch nicht mit dem Ziel der Klimaneutralität im Jahr 2035, für das es eines attraktiven ÖPNV bedarf.“

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