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Hessen, Kolumne, Fuß & Fahrrad, Bahn & Bus, Verkehrspolitik, Lebenswerte Städte, Verknüpfung von Verkehrsmitteln, Autoverkehr, Verkehrssicherheit
Landesverband Hessen

Knöllchen für die Falschen

Die Fassade des verkehrsreichsten Bahnhofs der Republik lässt noch erahnen, dass die so bedeutende Metropole ihre Besucher einstmals würdigte und ehrte. Heute wird der Bahnreisende durch sechs dicht befahrene Autospuren am Zutritt zur Stadt massiv gehindert. Eine überdimensionierte, viel zu lange grell rot leuchtende Fußgängerampel signalisiert, dass hier nur Autofahrer willkommen sind.

Weder erreicht man die Stadt noch die Straßenbahn, deren Türen spätestens dann schließen, wenn's endlich mal grün wird. Und das unappetitliche Ambiente der Unterführung ("B-Ebene") ist wahrlich keine Alternative.

Solche Situationen kennzeichnen viele deutsche Städte. Die absolute Priorität des Autoverkehrs vor dem Bahnhofsportal degradiert alle anderen Verkehrsteilnehmer zu Asozialen, machen den von der Stadt abgehängten Bahnhof zum Aufenthaltsort für die Benachteiligten. In der steten Defensive vor den Autos nutzen die schwächeren und ohnehin langsameren Verkehrsteilnehmer jede, auch verbotene, Gelegenheit, den Zug, die Tram gerade noch zu erreichen. Und dafür werden sie jetzt auch noch zur Kasse gebeten.

» Der Bahnreisende wird durch sechs dicht befahrene Autospuren am Zutritt zur Stadt gehindert «

Zur Erinnerung: die Straßenverkehrsordnung wurde einst allein aufgrund des Autoverkehrs etabliert. Wartezeiten, Behinderungen und Gefahren erdulden Fußgänger, Radler und Tram-Fahrgäste einzig wegen des Autoverkehrs. Der wiederum verursacht den Kommunen aufgrund seiner fast kostenfreien Nutzung des öffentlichen Raumes ein höheres Defizit als Bus und Bahn (<link https: www.uni-kassel.de fb14bau institute ifv verkehrsplanung-und-verkehrssysteme forschung-und-dienstleistungen forschungsprojekte was-kosten-radverkehr-fussverkehr-oeffentlicher-personennahverkehr-und-kfz-verkehr-eine-kommune-entwicklung-und-anwendung-einer-methode-fuer-den-vergleich-von-ertraegen-und-aufwendungen-verschiedener-verkehrsmittel-anhand-von-kommunalen-haushalten.html external-link-new-window external link in new>Studie Prof. Carsten Sommer / Universität Kassel).

» Die Verkehrswende sollte zuerst am Hauptbahnhof ansetzen «

Wenn der städtische Verkehr für Steuerzahler, Reisende, Klima und Umwelt effizienter werden soll, muss Autofahren teurer und Bahnfahren billiger werden, müssen Fußgänger und Radler ungehindert vorankommen. Die Verkehrswende sollte – nicht nur in Frankfurt – zuerst am Hauptbahnhof ansetzen. Schon über einen schlichten Zebrastreifen ohne Fußgängerampel wären City, Tram und Zug stressfrei zur erreichen. Noch günstiger wäre ein verkehrsberuhigter Bereich, der allen Verkehrsteilnehmern gleiche Rechte einräumt.

Viele Städte im benachbarten Europa machen's vor. Ob Fußgängerzone, Begegnungszone oder Shared Space, diverse Modelle der Verkehrsberuhigung gestalten den Bahnhof als Entree zur Stadt. In vielen Metropolen macht die Verkehrswende große Fortschritte. Dagegen erreichen weiterhin rund 80 Prozent der Berufspendler Frankfurt mit dem Auto. Muss man die wirklich schützen, indem man "lästigen" Fußgängern und Radlern Knöllchen verpasst?

Werner Geiß, VCD-Landesvorstand
 

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