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Mit einem Verkehrswendegesetz würden alle Menschen in Hessen besser fahren

„Viel zu wenig relevante Fortschritte und das komplette Ausblenden zentraler Elemente einer echten Verkehrswende“ hat die Initiative Verkehrswende Hessen dem heute von den Fraktionen der CDU und Bündnis 90/Die Grünen vorgestellten Entwurf für ein hessisches Nahmobilitätsgesetz bescheinigt. Ein entscheidender Kritikpunkt an dem Gesetz ist die völlige Nichtberücksichtigung des Öffentlichen Personennahverkehrs, der aber nach Ansicht des Bündnisses eine zentrale Rolle für eine echte Verkehrswende spielt.

Entsprechend verweist das Verkehrswende-Bündnis auf seinen Gesetzentwurf für ein „Hessisches Verkehrswendegesetz“, das aufgrund seiner Inhalte seinen Namen, anders als das vorgelegte „Nahmobilitätsgesetz“, zu Recht trage.

Das im vergangenen Jahr mit den Unterschriften von über 70.000 Hessinnen und Hessen unterstützte Verkehrswende-Volksbegehren der breiten Initiative aus den Landesorganisationen von ADFC, FUSS e.V., VCD, PRO BAHN, verschiedenen Umwelt- und Sozialverbänden sowie den Radentscheiden mehrerer hessischer Städte hatte wesentlich weitreichendere Änderungen der Landesgesetzgebung vorgesehen: So bleiben beispielsweise die Forderung nach einem flächendeckenden Angebot an Bussen und Bahnen mit stündlicher Bedienung von 5 bis 23 Uhr auch im ländlichen Raum ebenso unerfüllt wie ein strategischer Rahmenplan für die Förderung des Fußverkehrs oder die landesweite, planmäßige Sicherung von Schulwegen. Da das Land weiterhin die Zuständigkeit für den Bau von Radschnellwegen ablehnt, wird deren Realisierung auch künftig so langsam und uneinheitlich vonstattengehen wie bisher.

Dabei sei nicht alles nur schlecht am von den Regierungsfraktionen vorgelegten „Nahmobilitätsgesetz“: In weiten Teilen schreibe es zwar als Neuerungen lediglich dasjenige inhaltlich fest, was in den vergangenen Jahren im Bereich der Nahmobilität ohnehin durch das Verkehrsministerium entwickelt worden sei. Dass damit aber z.B. Standards wie die Musterlösungen für den Rad- und Fußverkehr künftig rechtsverbindlich seien, sieht die Initiative Verkehrswende Hessen durchaus als einen wichtigen Schritt. Auch Veränderungen im Hessichen Straßengesetz zur nachträglichen Nutzungseinschränkung von Straßen und die Aufnahme der „Vision Zero“ seien gute Elemente in diesem Gesetz - aber eben bei weitem nicht ausreichend, um endlich wirklich voranzukommen in Sachen Verkehrswende.

„Das Land darf sich bei den konfliktträchtigen Fragen der Verkehrswende nicht aus der Verantwortung ziehen. Es muss seine Gestaltungsmöglichkeiten nutzen und den Kommunen mit klaren Vorgaben den Rücken stärken, bei der Schaffung einer menschen- und umweltfreundlichen Mobilität voranzugehen“, mahnt Katalin Saary, eine von drei Vertrauenspersonen des Volksbegehrens Verkehrswende Hessen. „Insbesondere bei der verpflichtenden Sicherung der täglichen Wege von Schul- und Kindergartenkindern sind dringend verbindlichere Vorgaben notwendig, die das Gesetz leider nicht liefert“.

Vertrauensperson Stephan Voeth ergänzt: „Ein echtes Verkehrswendegesetz, wie wir es vorgeschlagen haben, hätte alle Verkehrsmittel des Umweltverbunds – zu Fuß gehen, Radfahren, ÖPNV – deutlich attraktiver für die Bürgerinnen und Bürger gemacht und damit einen wesentlichen Beitrag zum Klimaschutz geleistet. Das vorliegende Nahmobilitätsgesetz geht hier einfach nicht weit genug, so dass in Hessen die Einhaltung der Klimaschutzziele im Verkehrssektor fraglich bleibt.“

Dass die hessischen Regierungsfraktionen auf die 70.000 gesammelten Unterschriften für das Verkehrswende-Volksbegehren als Impulsgeber für das das nun vorgelegte Nahmobilitätsgesetz verweisen, vermittelt den Eindruck, das politische Gewicht der Initiative sei bei der Formulierung des Gesetzes angemessen berücksichtigt worden. Tatsächlich muss der inhaltliche Einfluss, den die Verkehrswende-Initiative im Rahmen von Gesprächen mit den Regierungsfraktionen auf die Ausgestaltung des Gesetzes nehmen konnte, als minimal bezeichnet werden.

„Wir können nicht sagen, dass wir mit unseren Inhalten bei den Regierungsfraktionen auf große Offenheit gestoßen sind. In Summe kann dieses Ergebnis nur ein erster Schritt sein, denn dieses Koalitions-Gesetz ist kein ausreichender Anschub für eine echte Verkehrswende. Für unsere zentralen Forderungen wollen und werden wir uns auch weiter stark machen und setzen nach wie vor auf ein Volksbegehren. Das sind wir den über 70.000 Menschen, die für ein echtes Verkehrswendegesetz unterschrieben haben, schuldig “, lautet das Fazit von Robert Wöhler, der dritten Vertrauensperson des Verkehrswende-Volksbegehrens.

„Mit dem Verkehrswendegesetzt unseres Bündnisses würden alle Menschen in Hessen besser fahren.“ Davon ist Mathias Biemann, Landesvorstand des VCD Hessen überzeugt. „Im Gegensatz zum geplanten Nahmobilitätsgesetz der schwarz-grünen Koalition berücksichtigt das von unserem Bündnis vorgelegte Gesetz die Mobilitätsbedürfnisse aller Menschen.“ Nicht nur ein paar Verbesserungen für die Mobilität zu Fuß und mit dem Fahrrad, wie sie die Koalitionäre wollen, seien notwendig, um sich selbstbestimmt bewegen und am sozialen Leben teilhaben zu können. Ein gutes flächendeckendes Angebot von Bussen und Bahnen, mit stündlicher Bedienung, mit Anschluss- und Übergangssicherheit, sei dafür unverzichtbar. Auch Menschen die körperlich oder aufgrund ihrer Lebenssituation oder ihres Alters nicht dazu in der Lage seien, ein Fahrrad, ein Auto oder ein anderes Fahrzeug zu fahren, müssten am sozial-kulturellen Leben und am Arbeitsleben jederzeit teilhaben können. „Der schwarz-grünen Koalition fehlt, trotz der Erfahrungen, die in der Pandemie gesammelt werden konnten, scheinbar immer noch das Verständnis für die schwere Situation von Menschen, die sich nicht im persönlichen Kontakt mit anderen Menschen austauschen können“, bedauert der VCD Landesvorstand. Alle, die kein Fahrzeug besäßen oder fahren könnten, würden weiterhin benachteiligt. „Solche Fälle gibt es nicht nur auf dem Land. Selbst im Rhein-Main-Gebiet, an den Rändern der hessischen Großstädte, gibt es kein Gesamtverkehrssystems, das diesen Menschen ein zuverlässiges Nahverkehrsangebot macht“, kritisiert Biemann. Da helfe auch kein Deutschland- oder Sozialticket. Wegen des mäßigen bis schlechten ÖPNV-Angebots sei es dort fast nicht möglich an Veranstaltungen oder Weiterbildungsangeboten teilzunehmen, weil die häufig an Wochenenden oder am Abend stattfänden. Selbst der regelmäßige Einkauf werde dort zu einer Herausforderung, weil es häufig keine ausreichend getakteten Bahn- und Busverbindungen gäbe, um die Einzelhandelsgeschäfte am Rand der Kommunen zu erreichen. „Zu Fuß geht da für alte und mobilitätseingeschränkte Menschen nichts. Sie sind immer Bittsteller und auf die Hilfe anderer angewiesen“, stellt Biemann fest.

Zum Hintergrund: Die Initiative „Verkehrswende Hessen“ (verkehrswende-hessen.de) fordert mit ihrem Volksbegehren, die Mobilität in Hessen umwelt- und sozialverträglich, klimaneutral, verkehrssicher und durchgängig barrierefrei zu gestalten. Allen Menschen soll eine gerechte Teilhabe an Mobilitätsangeboten und Verkehrsinfrastruktur unabhängig von Wohnort, Alter, Geschlecht, Lebenssituation, Herkunft, persönlichen Mobilitätseinschränkungen oder individueller Verkehrsmittelverfügbarkeit ermöglicht werden. Die Landesregierung hat das Volksbegehren für dieses Gesetz trotz der Forderung von mehr als 70.000 Hessinnen und Hessen abgelehnt. Dagegen hat die Verkehrswende-Initiative Beschwerde beim hessischen Staatsgerichtshof eingelegt.

 

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