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Fuß & Fahrrad, Autoverkehr, Verkehrspolitik, Klimaschutz, Kolumne, Neue Technologien
Landesverband Hessen

Kolumne: Kein Tempolimit

Lahmer Kohleausstieg verabschiedet. Deshalb -- kein Tempolimit -- für die Verkehrswende!

 

Wenn die Kohleverstromung wirklich erst 2038 enden soll, wird’s wohl nichts mit den Klimaschutzzielen. Es sei denn, beim Verkehr wird mal so richtig Gas gegeben. Pardon: bei der Verkehrswende. Die Voraussetzungen sind gar nicht so schlecht.

Und gar so schwierig scheint es auch nicht zu sein. Denn in vielen europäischen Ballungsräumen hat sie schon stattgefunden, die Verkehrswende. Was sind die Voraussetzungen?

    • Wertewandel und Konsumgewohnheiten: Mindestens die Hälfte des verkehrsbedingten Klimaeffekts hat nichts mit Transport von Mensch und Ware zu tun. Sondern mit Status und Habitus. Gilt vor allem für protzige Autos, „sportlichen“ Fahrstil, Fernflugtourismus, Schiffskreuzfahrten. Wer aber – wie leider viele Politiker - den gesellschaftlichen Wertewandel vom Konsumentenvolk der Flieger und Lenker zum mündigen Volk der Dichter und Denker scheut, braucht hier gar nicht weiter zu lesen.

    • Kostenwahrheit: Nachdem Wissenschaftler Wohlstandsindizes entwickelt hatten, die alle relevanten Kosten- und Nutzenfaktoren einer Volkswirtschaft umfassen, einschließlich Klima- und Umwelteffekten, hat schon vor fünf Jahren auch eine Enquete-Kommission des Bundestages derlei präzise errechnet. Gemäß kommunaler Verkehrskostenrechnung der Uni Kassel verursacht der Autoverkehr das größte Defizit in den Städten. Wir wissen also längst, was welcher Verkehr wirklich kostet. Die verantwortliche Politik ist ergo imstande, insbesondere den Auto- und Flugverkehr mit seinen wahren Kosten gerecht zu belasten, erhielte damit die nötigen Mittel zur Förderung von Bahn-, Bus- und Radverkehr.

    • Technologie: Auf Schienen läuft’s am effizientesten: Verreisen, Berufspendeln, aufs Land, Güterverkehr. Grundsätzlich Doppelstock, mit mehr Platz und Komfort, dazu Regiotrams von der Stadtmitte direkt auf die Dörfer. An jedem Bahnhof ein Mini-Containerterminal, Shoppingcenter, Großmarkthalle, Gewerbepark. Das Auto schrumpft technologisch zum Luxuselektrokarren, der Wohnquartiere mit City und Bahnhof verbindet. Solche Vehikel teilen sich gleichberechtigt den öffentlichen Raum mit Fußgängern, Radlern, Bus und Tram. Autostraßen braucht man nicht mehr so dringend. Denn fürs Reisen gibt’s die Bahn. Und wenn schon Fliegen, dann im innovativen Nurflügelflugzeug. Braucht nur halb so viel Sprit. Damit sich die Industrie zur Entwicklung aufrafft, bedarf es aber einer kostengerechten Treibstoffsteuer.

   • Europäische Praxis: In vielen europäischen Metropolregionen ist die Verkehrswende schon Realität. Die Lebensqualität ist deutlich gestiegen, weil Parkraum wieder öffentlicher Raum ist, mit Platz zum Bummeln, Radfahren, Shoppen. Bahn und Bus sind preiswert, schnell und kommen alle paar Minuten. In der Schweiz, in Wien, sowie Kopenhagen oder Amsterdam hat der gesellschaftliche Wertewandel stattgefunden. Autohalter tragen tapfer ihre Kosten durch Parkraumbewirtschaftung und Citymaut.

Wir sind doch wohl nicht blöder als die europäischen Nachbarn? Wir haben auch den Anspruch auf mehr Lebensqualität. Und erst recht unsere Kinder und Enkel, die jetzt jeden Freitag auf die Straße gehen und lautstark unseren Tribut für ein menschenwürdiges Leben einfordern. Gönnen wir’s ihnen, hängen den Autoschlüssel wieder an den Haken und holen endlich das Fahrrad aus dem Keller.

Herzliche Grüße
Euer Werner Geiß

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