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Kolumne: Gemeines Gemeinwohl

Steuern dienen dem Gemeinwohl, deswegen werden sie von allen Steuerpflichtigen erhoben, denn sie kommen ja auch in den Genuss gemeinnütziger Leistungen. Für spezifische Leistungen für spezifische Nutzerinnen und Nutzer erhebt die öffentliche Hand hingegen spezifische Abgaben, also keine Steuern. Ergo auch für Autobesitzerinnen und Autobesitzer, denen in den Kommunen die meisten Flächen des öffentlichen Raumes exklusiv vorbehalten sind, fürs Fahren und Parken.

Aber nur im benachbarten Europa: Dort werden kostengerechte Anliegerparkgebühren erhoben, mitunter auch Maut. Bislang nicht so im Autoparadies Deutschland, wo Kommunen eben keine Kraftfahrzeug- und Mineralölsteuer erhalten, um die besonderen Kosten des örtlichen Autoverkehrs zu decken. Wo zudem Kommunen immer noch keine „Begegnungszonen“ zur gleichberechtigten Nutzung des öffentlichen Raumes – ohne Vorteil fürs Auto – einrichten können.

Neuerdings dürfen auch deutsche Kommunen Anliegerparkgebühren erheben. Zaghaft tun manche Großstädte dies: In Frankfurt, Darmstadt und Wiesbaden sind ganze 120 Euro p.a. vorgesehen. Die angrenzenden Kommunen im Speckgürtel, wo die Autobestandsdichte noch viel höher ist, drücken sich weiterhin. Dient hier der Autoverkehr trotz aller Klima- und Umweltschäden dem Gemeinwohl? Müssen deshalb die wenigen nicht motorisierten, ergo mündigen Bürgerinnen und Bürger, die Steuern zahlen, den fast gänzlich vom Autoverkehr beanspruchten öffentlichen Raum mitfinanzieren, wiewohl sie ihn zu Fuß und radelnd kaum noch nutzen dürfen?

Anscheinend. Ein konservativer Speckgürtel-Stadtrat beklagt den enormen „Parkdruck“, an dem die automobile Bevölkerung (680 Autos je 1000 Einwohner) so bitter leidet. Eine junge, unerfahrene Politesse, die Knöllchen wegen Parkens auf dem Gehweg verteilte, wurde rüde zurechtgewiesen. Der Bürgermeister entschuldigte sich bei den betroffenen Autohaltern, denen das Strafgeld erstattet wurde. Die örtliche Polizeibehörde hat wenig Verständnis für geschädigte unmotorisierte Verkehrsteilnehmer. Selbst unschuldig schwer verletzte Radlerinnen und Radler werden der Unfallstatistik vorenthalten.

Ist doch absurd! Bund und Land sollten endlich Kostenwahrheit im Verkehr gesetzlich verankern und eine kostengerechte Parkraumbewirtschaftung vorschreiben. Mit der kommunalen Verkehrskostenrechnung der Uni Kassel gibt es dazu das ideale Instrument. Andernfalls könnte die im angrenzenden Europa bewährte „Begegnungszone / Zone de Rencontre“ eine gleichberechtigte Nutzung des öffentlichen Raumes gewähren: Hier ist der neue Verkehrsminister in der Pflicht.

Liebe Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker: Auch schädliche Mobilitätsgewohnheiten einer überwältigenden Mehrheit des Wahlvolks dienen nicht dem Gemeinwohl. Deshalb ist unter Nachweis der Kostenwahrheit zuweilen Durchregieren gerechtfertigt.

Euer Werner Geiß

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