Hessen

Fuß & Fahrrad, Lebenswerte Städte
Darmstadt & Darmstadt-Dieburg

Darmstadt auf dem Weg zur Fahrradstadt

„Im letzten Jahr ist mehr fürs Fahrradfahren in Darmstadt passiert als in den letzten 10 Jahren davor zusammen“, meinte neulich jemand zu mir. Stimmt das? Zweifelsfrei sehen wir seit dem öffentlichen Start des Radentscheids im Frühjahr 2018 und der Übergabe von über 11.000 Unterschriften Bewegung. Es folgten Beschlüsse zur Aufstockung des Personals um vier zusätzliche Stellen und des jährlichen Etas um vier zusätzliche Millionen. Darmstadt katapultierte sich von einem schwachen Mittelfeld-Budget von ca. 5 € pro Einwohner*in und Jahr an die Spitze der Kommunen in Deutschland und im internationalen Vergleich.

 

Von David Grünewald

Radstrategie beschlossen

2019 kam noch ein Beschluss zur Radstrategie hinzu. Verteilt auf die fünf Handlungsfelder Strategie, Infrastruktur, Information/Kommunikation, Arbeitsstrukturen und Anreizförderung wurden 23 Ziele gesteckt. Auf allen Feldern wird gearbeitet. Mit dem in der Radstrategie aufgeführten Sofortmaßnahmenprogramm wurde schon zuvor begonnen. Der Parlamentsvorbehalt für große Maßnahmen ist keinesfalls aufgehoben, aber die politische Denk- und Machbarkeit ist eine andere geworden. Heute steht die überwiegende Mehrheit der Stadtverordneten hinter dem Umbau Darmstadts zur Fahrradstadt. Das neue politische Bekenntnis ist der wichtigste Erfolg. Zuvor wurde gerne und ausgiebig um jeden Quadratmeter öffentliches Straßenland gestritten, das vom motorisierten Verkehr den Menschen im ÖPNV, Fuß- oder Radverkehr zurückgegeben werden sollte.

Neuer politischer Mut

Jetzt traut sich die Regierungskoalition zu, auch Parkstände oder Fahrstreifen in Verkehrsflächen für das Fahrrad umzuwandeln. Für großes Aufsehen sorgte beispielsweise die Umgestaltung der Mittleren Rheinstraße, die schon das Cover der Kettenblatt-Ausgabe 1/2019 zierte. Bürger*innen und Medien befürworten die Maßnahmen, was der Sache Vorschub leistet. Beispielsweise sind 2019 auch Parkstände in der Teichhausstraße weggefallen und die Radfahrstreifen entsprechend breiter geworden, ohne dass bei der Bürgerbeauftragten oder dem Oberbürgermeister auch nur eine einzige Beschwerde aufgelaufen wäre.

Quartalsberichte

Seit Anfang 2019 erscheinen jedes Quartal Berichte über umgesetzte Maßnahmen an der Radverkehrsinfrastruktur. Alle Maßnahmen zu beschreiben, würde hier den Rahmen sprengen, weshalb hier nur die wichtigsten beschrieben werden.

Hauptstraßen

Entlang der Heidelberger Straße wurde der westliche Geh- und Radweg von der Rüdesheimer Straße bis zum Grenzweg auf einer Länge von 1,2 km grundständig saniert und auf 3,50 m Breite mit glattem Asphalt ausgebaut. Davor gab es ein sehr unebenes Pflaster und besonders bei Regen große Pfützen. Die Breite des Weges ist durch die Doppelallee beschränkt.

Eine weitere Verbesserung der Heidelberger Straße wurde zwischen Annastraße und Heinrichstraße umgesetzt. In der nördlichen Fahrtrichtung wurde der bauliche Radweg deutlich verbreitert und ein Radfahrstreifen im Kreuzungsbereich mit der Heinrichstraße auf 2,50 m aufgeweitet. Der Gehweg wurde mit Pollern vor falsch abgestellten PKW geschützt. In der Gegenrichtung wurden die Parkstände entfernt und ein baulicher Radweg in 2,30 m statt der vorher ungeschützten Radverkehrsführung in der Türzone von PKWs angelegt.

In der Bismarckstraße wurden zwischen Am alten Bahnhof und der Kasinostraße der Radfahrstreifen auf 2,50 m verbreitert und die Parkstände entfernt. Auf dem Gehweg unterbinden Poller das Falschparken. Im Knoten mit der Kasinostraße wurden die Haltlinie des Kraftverkehrs um 5 m nach hinten versetzt und ein Trixi-Spiegel montiert, um bessere Sichtbeziehungen zu gewährleisten.

Die Rheinstraße hat zwischen Neckarstraße und Grafenstraße einen 2,30 m breiten mit Pollern geschützten und rot eingefärbten Radfahrstreifen erhalten. Außerdem wurden auf der Südseite erstmals Bügel zum Anschließen von Fahrrädern aufgestellt, die gleichzeitig illegales Parken unterbinden.

In der Heinrichstraße und in der Kirchstraße wurde das Tempo ganztags auf 30 km/h gedrosselt. Zuvor durfte dort tagsüber noch schneller gefahren werden. Aus Gründen der Unfallverhütung, des Lärmschutzes und der Luftreinhaltung konnte hier eine Verbesserung erzielt werden.

Aufgeweitete Radaufstellstreifen an Kreuzungen

An vielen Orten sind aufgeweitete Radaufstellstreifen in den Kreuzungsbereichen markiert worden. Sie kommen ab sofort vorwiegend in der Nebenrichtung zum Einsatz, wo eine längere Ampelsperrzeit das Sortieren der Radfahrenden nach Richtung erleichtert. In der Hauptrichtung werden die Haltlinien des Kraft- und Radverkehrs lediglich gestaffelt.

Neu markiert wurden die Knotenpunkte Moltkestraße/Haardtring (Südbahnhof), Messeler-Park-Straße/Frankfurter Landstraße (Wixhausen), Beckstraße/Landgraf-Georg-Straße (Woog) und Hilpertstraße/Holzhofallee (Stirnwegbrücke).

Grünpfeil für Radfahrer*innen

2019 waren Grünpfeile für Radfahrer*innen noch ein Pilotversuch. Im Zuge der StVO-Novelle werden sie 2020 zum regulären Verkehrszeichen und sind in Darmstadt bereits an den Knoten Grafenstraße/Bleichstraße, Heinheimer Straße/Rhönring und Holzhofallee / Groß-Gerauer Weg/Berliner Allee zu finden.

Radschnellweg

Der Radschnellweg zwischen Frankfurt und Darmstadt wächst auf der Darmstädter Gemarkung. Von Wixhausen nach Norden wurde der Weg zwischen 4,00 m und 5,50 m breit asphaltiert und im Wesentlichen parallel zur Bahnstrecke geführt.

Fahrradstraßen ausgewiesen

Die Umsetzung des Fahrradstraßenkonzepts kam vor dem Radentscheid ins Stocken. Jetzt wurden die Pläne wieder hervorgeholt. Im Erlich/Vor der Schreiberpforte wurden 1,3 km Fahrradstraße und in der Ettesterstraße 350 m ausgewiesen.

Einbahnstraßen in Gegenrichtung geöffnet

Die Gutenbergstraße, Roßdörfer Straße (Teilstück), Steinackerstraße, Soderstraße/Pädagogstraße (Teilstück), die Gustav-Lorenz-Straße und die Zimmerstraße waren Jahrzehnte für den Radverkehr in einer Richtung gesperrt. Jetzt sind diese legal befahrbar und bilden wichtige Abkürzungen und direkte Verbindungen. Die Zimmerstraße war ein besonders langwieriger Streitpunkt der letzten Jahre. Im Beginn, Mitte und Ende wurden Parkstände entfernt, um ein Ausweichen zu Gewährleisten. Der Pflasterbelag soll noch durch Asphalt getauscht werden, um auch bei Nässe genügend Griffigkeit und eine gute Laufruhe zu gewährleisten.

Abstellanlagen

Vielerorts werden neue Radabstellanalgen installiert. Schwerpunkte bilden Schulen und Bahnhöfe. Werden Abstellanlagen am Straßenrand geschaffen, wird jetzt immer öfter auf Parkstände zurückgegriffen und der Gehweg in seiner Breite belassen.

Sperrpfosten

Poller gewinnen in der Regel keinen Schönheitspreis und engen Verkehrsflächen vielfach ein. Gleichzeitig kann die Kommunalpolizei nicht 24 Stunden am Tag alle Straßen der Stadt überwachen, um gefährliches Falschparken und illegalen Kfz-Durchgangsverkehr durch Nebenstraßen oder gar über Rad- und Gehwege zu unterbinden. Deshalb kommen sie im Moment auch weiterhin an vielen Stellen neu zum Einsatz. Gleichzeitig werden Poller, Schranken und enge Gitter dort entfernt oder versetzt, wo sie den Geh- und Radverkehr unnötig einschränken. Immer mehr Lastenräder und Räder mit Anhänger machen mehr Bewegungsspielraum nötig.

Ausblick

2020 werden weitere Maßnahmen geplant und realisiert. Die Verlängerung des Radschnellwegs vom aktuellen Ende bis zum Bahnhof Wixhausen wird gerade gebaut. Außerdem wird die Strecke des Radschnellwegs in Arheilgen festgelegt. Von der Waldkolonie nach Riedbahn wird der Radweg ausgebaut und die Fahrradstraße Im Harras ausgewiesen.

Die Radverkehrsanlagen entlang der Kranichsteiner Straße und der Fasaneriemauer werden ausgebaut. Die Haltestelle TZ Rhein Main wird umgestaltet und dabei auch die Radverkehrsführung verändert. Die Brücke über die Rheinstraße ins Telekomviertel befindet sich im Bau. Die Strecke in der Straße Am Kavalleriesand wird ausgebaut. Auf der Zeughausstraße/Bleichstraße entsteht genauso wie auf der Landgraf-Georg-Straße bergauf ein durch Poller geschützter Radfahrstreifen.

In der Dieburger Straße wird die Führung verbessert, wo heute direkt am Schutzstreifen geparkt wird. Auch die Heinrichstraße wird erstmals Radverkehrsanlagen erhalten. Der Radweg nach Roßdorf wird ausgebaut und die Haltestelle in der Heidelberger Landstraße/Marienhöhe wird umgestaltet.

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