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VCD: Ortstermine zu Tempo 30 in Kleinlinden und Rödgen haben neue Erkenntnisse gebracht

Als „bürgerfern und abgehoben“ bezeichnete der Kreisverband Gießen des Verkehrsclubs Deutschland (VCD) die Weigerung des Regierungspräsidiums und der Polizei, an den Ortsterminen zum Thema „Tempo 30“ in Rödgen und Kleinlinden teilzunehmen. Gegen den Willen der Stadt, der Ortsbeiräte und der Bevölkerung vor Ort solle künftig wieder weitgehend Tempo 50 auf der Wetzlarer Straße in Kleinlinden sowie in der Ortsdurchfahrt Rödgen gelten. Die Argumentation des Regierungspräsidiums, die Termine seien „politisch“ und es gäbe keine neuen Argumente, zeige, dass hier Politik „von oben herab“ betrieben werde, so Patrik Jacob, Vorstandsmitglied des VCD. Die zahlreichen Teilnehmer in den beiden Stadtteilen haben viele Argumente genannt, die bisher in der Diskussion noch keine Rolle spielten. So gibt es in Rödgen vergleichbar schmale Gehwege wie in Kleinlinden. An der engsten Stelle wurden nur 74 cm gemessen, hier solle aber künftig Tempo 50 gelten, während an den engsten Stellen in Kleinlinden rund um die Einmündung Maiplatz Tempo 30 Gültigkeit behalte.

In beiden Stadtteilen wurde deutlich, dass überhöhte Geschwindigkeiten der Autofahrer ein großes Problem darstellten. Gerade in den Kurven reduzierten die Autofahrer ihr Tempo nicht im notwendigen Maße, so dass es zu zahlreichen Unfällen kommt. Unklar sei, ob die Unfallhäufigkeiten vom Regierungspräsidium ausreichend ausgewertet wurden. Auch müsse nochmals geprüft werden, ob die Sichtbeziehungen an Einmündungen oder Querungshilfen ausreichend sind, um Tempo 50 zu erlauben.

Fraglich sei weiterhin, ob das Kinderheim „Don-Bosco-Haus“ in der Wetzlarer Straße in Kleinlinden in den Anweisungen des Regierungspräsidiums eine Rolle gespielt hat. Die Regelung, dass Tempo 30 vor Schulen und Kindergärten sinnvoll sei, müsse selbstverständlich auch für Einrichtungen der stationären Kinder- und Jugendpflege gelten. Alles andere sei unverantwortlich, so der VCD.

Der VCD forderte den Regierungspräsidenten auf, diese und weitere offene Fragen zu klären und mit transparenten Begründungen der Öffentlichkeit zu kommunizieren. So-lange müssten die Tempo 30-Regelungen in Kleinlinden und Rödgen vollumfänglich bestehen bleiben.

Leider nehme die momentane Gesetzeslage und die Rechtsprechung in Deutschland hinsichtlich Geschwindigkeitsbegrenzungen wenig Rücksicht auf Sicherheitsaspekte noch auf Lärm oder Abgase, sondern bevorzuge einseitig die „Freie Fahrt für freie Bürger“. Vor allem Hessen schreite hier mit negativem Beispiel voran. Dabei erhöhe Tempo 30 die Verkehrssicherheit erheblich, führte Jacob aus. Während ein Auto bei Tempo 30 nach knapp 13 Metern zum Stehen komme, brauche es bei Tempo 50 über 27 Meter. Bei dieser Geschwindigkeit habe der Fahrer nach 13 Metern noch nicht einmal angefangen zu bremsen und treffe den Fußgänger mit seiner vollen Wucht. So endeten bei Tempo 50 acht von zehn Unfällen mit Fußgängern tödlich. Bei Tempo 30 sterben zwei bis drei von zehn Angefahrenen. Angesichts der im letzten Jahr bundesweit erstmals seit 20 Jahren wieder angestiegenen Zahl an Verkehrstoten sei eine Aufhebung des Tempolimits besonders zynisch. Hinzu komme noch die steigende Lärm- und Umweltbelastung bei höheren Geschwindigkeiten, die besonders die Anwohner träfen, deren Fenster teilweise nur einen guten Meter vom Straßenrand entfernt seien.
 
In Anbetracht der Vorteile von Tempo 30 hat sich der wissenschaftliche Beirat beim Bundesverkehrsministerium dafür ausgesprochen, innerorts Tempo 30 zur Regel zu machen. Tempo 50 würde auf Vorfahrtsstraßen mit breiten Fahrbahnen und Gehwegen sowie ausreichend sicheren Querungsmöglichkeiten gelten.
 
Der VCD werde mit einer bundesweiten Kampagne für Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit in Städten und Gemeinden werben. Die Politik müsse hier umgehend für die notwendigen rechtlichen Grundlagen sorgen.

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