Hessen

VCD-News zum Thema:

 

Verkehrspolitik
Landesverband Hessen

Verkehrsplanung für Hessen

In Hessen verursacht der Verkehr fast die Hälfte der Klimaemissionen, steht damit im Fokus der Klimaschutzziele. Der VCD fordert eine umfassende, integrierte Verkehrsplanung.

-        Kostenwahrheit: Richtig rechnen in Kommunen, Region und Land. Klimaschonende Mobilität muss belohnt werden; günstige ÖV-Tickets vs. Parkgebühren und Maut

-        Regional integrierte Planung: Verkehr endet nicht an der Gemeindegrenze. Verantwortliche Planungsinstanzen sind primär Land, Regionalverband und Kreise

-        Technologisch integrierte Planung: der gesamte Verkehr muss effizienter werden. Optimal abgestimmter Mobilitätsmix von Fuß-, Rad-, öffentlichem und Individualverkehr.

-        Flugverkehr: Schluss mit der Konzentration auf den lärmsensiblen Standort Frankfurt. Wir brauchen einen bundesweiten Masterplan Flugverkehr (link masterplan)

-        Logistik: Wiederbelebung der ehemaligen Güterbahnhöfe: transportintensives Gewerbe, lokale Verteilzentren, intelligenten Container- und Warenumschlag hier wieder ansiedeln

-        Individual-digital: autonome Elektrofahrzeuge schießen die Lücke zwischen Haustür und Fernverkehr, zwischen Laden und Verteilzentrum, zumal im ländlichen Raum.

Ursprünglich nur notwendiges Übel, hat sich die Mobilität in vielfältiger Weise zum Selbstzweck, zum Konsumgut, zum Statussymbol gewandelt. Aus betriebswirtschaftlichem Blickwinkel dient der preisgünstige motorisierte Verkehr einerseits dem Transport von Rohstoffen, Vor- und Endprodukten, um das globale Lohnkostengefälle optimal zu nutzen und die profitabelsten Absatzmärkte zu erreichen. Andererseits als begehrtes und deshalb hoch profitables Konsumgut an sich: Premium-Autos, Flugtouristik, Schiffskreuzfahrten, aber auch Rennräder, Segel- und Motoryachten. Suchte einst jegliches Gewerbe die Nähe zum wichtigsten Produktionsfaktor, dem Menschen, zwingt es heute die Werktätigen, weiteste Wege zur Arbeit am angesagten „Standort“ zurückzulegen.

 

So hat die motorisierte Mobilität den ehemals öffentlichen Raum erobert, Gesellschaft und Umwelt mit immensen Schadstoffen und Lärm belastet. Der Segen der Mobilität wurde zum Fluch; gemäß UN-Glücksreport bieten heute jene Staaten größte Lebensqualität, die eine Verkehrswende schon erfolgreich eingeleitet haben, z.B. Radler-Nationen wie Holland und Dänemark.

 

Wie kommen wir aus der Misere wieder raus? Welche Kriterien sind bei einer weisen Verkehrsplanung zu beachten?

 

Öffentliche Daseinsvorsorge: Im Sinne eines langfristig hohen Wohlstandsniveaus muss sich die Verkehrsplanung auf die Bedürfnisse konzentrieren, die für eine effiziente Volkswirtschaft erforderlich sind. Unberücksichtigt bleibt dabei zunächst jene Mobilität, deren Bedarf künstlich erzeugt und als Selbstzweck und Statuskonsumgut vermarktet wird. Langfristiger Wohlstand und Effizienz bedingen, dass alle relevanten Kosten und Nutzen berücksichtigt werden.

 

Kostenwahrheit: das ungezügelte Wachstum des Verkehrs beruht vor allem darauf, dass dessen Nutzer weder betriebs- noch volkswirtschaftliche Kosten decken. Sei es, weil Treibstoffe steuerfrei sind, Infrastruktur subventioniert wird oder weil Kosten für Lärm, Klima- und Umweltbelastungen immer noch nicht erhoben werden.Grundlage einer Verkehrsplanung darf also nicht die uralte Systematik des Bruttoinlandsinlandsprodukts (BIP) sein, sondern eines zeitgemäßen Wohlstandsindikators (z.B. NWI), der alle relevanten Größen erfasst. Noch immer stellen Kommunen den öffentlichen Raum nahezu kostenfrei zur Verfügung, ganz überwiegend aber okkupiert vom Autoverkehr, der so ein großes kommunales Defizit verursacht (s. Verkehrskostenrechnung Uni Kassel).

 

Technologie: Künftige Verkehrsstrukturen werden maßgeblich von zeitgemäßen Technologien bestimmt, die spezifische Infrastrukturen erfordern und alte Verkehrswege ersetzen. So muss unter der Maßgabe der Klimaneutralität die Grundlast des Verkehrs auf Schienen abgewickelt werden; im Übermaß vorhandener Straßenraum ist bedarfsgerecht umzuwidmen. Besondere Weitsicht erfordert der Flugverkehr, dessen Entwicklung aufgrund des derzeit noch steuerfreien, billigen Treibstoffs einen enormen technologischen Rückstand aufholen muss (s. Thema Flugverkehr). Gigantische Luftfahrtdrehkreuze sind schon heute überflüssig.

 

Integrierte Planung: Verkehr ist nicht Selbstzweck, sondern ein von den Belangen der Wirtschafts- und Siedlungsstruktur abgeleiteter Mobilitätsbedarf und muss ergo als Bestandteil eines integrierten Planungsprozesses begriffen werden, der Wohnen, Arbeiten, Erholung und eben den Verkehr umfasst. Trotz föderaler, regionaler Zuständigkeiten ist der Verkehr geografisch übergreifend zu planen. Auch die effiziente Verknüpfung von Verkehrsmitteln bedarf eines integrierten Ansatzes, der an der Kostenwahrheit orientierte Tarife, Preise, Abgaben und Steuern einschließt.

 

Wirtschaftlichkeit, Beschäftigung, Wohlstand: Eine intelligente, langfristige Verkehrsplanung sollte im Konsens mit Gesellschaft und Wirtschaft gestaltet werden. Einerseits können derzeit noch in einem ineffizienten, überdimensionierten Verkehrswesen gebundene Ressourcen effizienter genutzt werden, andererseits erfordern öffentliche Verkehrsmittel zwar weniger Materialeinsatz, aber mehr menschliche Arbeitskräfte. Wenn dem Volk der Dichter und Denker die Rückkehr vom fremdbestimmten Statuskonsum zur Hochkultur gelänge, erfährt es zweifellos einen Gewinn an Wohlstand und Lebensqualität. Bildung, Theater, Konzert, Oper, Literatur und bildende Kunst erfordern viel mehr und viel interessantere Jobs als die gepriesene Autoindustrie, von der doch nur jeder 25. Arbeitsplatz „abhängt“. Auch einen Wertewandel sollte eine weise Verkehrsplanung vermitteln können.

 

Was tun in Hessen?

 Der Flughafen muss den Bedarf der Region decken. Sowohl Inlandsflugverbindungen als auch interkontinentale Drehkreuzfunktionen sind Gegenstand einer bundesweiten integrierten Luftverkehrsplanung, die alle spezifischen Eignungen deutscher Flughäfen sowie das Eisenbahnangebot berücksichtigt.

Das Land Hessen muss für den Ballungsraum Rhein-Main eine kompetente und den Kommunen übergeordnete Planungsinstanz aufbauen, welche eine integrierte, verkehrsmittelübergreifende Mobilitätsplanung entwickelt. Der "Regionalverband" leistet diese Funktion zur Zeit nicht und "Hessen Mobil" versteht sich lediglich als "Hessen-Auto-Mobil".

 

Zur Überwindung föderaler „Kleinstaaterei“ hat sich das Modell der Internationalen Bauausstellung (IBA) bewährt, wie schon beim Strukturwandel der Ruhrgebiets oder derzeit die IBA Verkehr im Großraum Basel. Höchste Zeit für ein derartiges Projekt für die Metropolregion Rhein-Main.

 

Die Landesregierung ist sich des Handlungsbedarfs bewusst und hat dem Fachpublikum erfolgreiche europäische Planungskonzepte präsentiert:

-       Die mit Einbindung der Bevölkerung gelungenen Verkehrswende-Projekte des dänischen Planers Jan Gehl, beispielhaft realisiert im Raum Kopenhagen,

-       Das niederländische Fahrradkonzept der „Fahrradprofessorin“ Spapé

-       Das Verkehrsprojekt der Stadt Wien nach der „Push – Pull“-Methode

-       Verkehrswende in Basel und Umland im Rahmen eines grenzüberschreitenden Projekts

 

Weil im Einvernehmen mit der Gesellschaft vollzogen, lässt sich mit den zeitraubenden dänischen und niederländischen Methoden – 35 Jahre in Kopenhagen - nicht mehr das Klimaschutzziel von 2050 erreichen. Bleibt für Rhein-Main nur das rüdere Verfahren der Wiener Vizebürgermeisterin, die zunächst für die Parkraumbewirtschaftung kaum Verständnis fand, mit billigen Jahrestickets und perfektem ÖPNV-Angebot doch ganz überwiegend Zustimmung erfuhr.

Für ein landesweites Verkehrskonzept empfiehlt sich eine IBA.

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