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Hessen, Bahn & Bus, Autoverkehr, Saubere Luft, Lebenswerte Städte, Klimaschutz, Verkehrspolitik, Kolumne
Landesverband Hessen

Betreiber von Bus und Bahn: Angst vorm eigenen Erfolg?

Mit Wohlgefallen erfährt man regelmäßig von der – gemächlich – steigenden Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel. Getrübt wird die Botschaft aber vom konstant hohen Autoverkehrsanteil: Rund 80 Prozent der Pendler erreichen Frankfurt weiterhin mit dem Auto. Klimawandel, Feinstaub, Stickoxide, korrupte Autokonzerne, Staus, zugeparkte Städte: Alle reden von der Verkehrswende. Bund und Land fördern Bus und Bahn wie nie zuvor. Also mehr Busse, Züge, Gleise und endlich billigere Fahrkarten für alle?

Mitnichten. Trotz niedriger Inflationsrate sind die Tickets wieder deutlich teurer geworden. Für Frankfurter Tram-Linien beginnt der kümmerliche Nachtfahrplan jetzt schon um 19 Uhr. Wenn weniger Leute einsteigen, kommt der Bus seltener. Oder gar nicht mehr. Denn der RMV achtet peinlich drauf, den Kostendeckungsbeitrag bei 56 Prozent zu halten. Als wäre diese Zahl ein in Stein gemeißeltes Naturgesetz. Nach dem Motto „Am besten, alles bleibt, wie’s ist.“

» 80 Prozent der Pendler erreichen Frankfurt weiterhin mit dem Auto «

Auch jahrzehntelang geforderte Bahnstrecken bleiben vorerst Utopie. Das gilt selbst für die einhellig befürwortete Regionaltangente West, die den völlig überlasteten Frankfurter City-Tunnel entlasten soll. Auf ihr rollt nicht, wie einst geplant, ab nächstem Jahr der erste Zug, sondern in etwa 20 Jahren. Eher skeptisch beurteilten kürzlich auf einer Fachveranstaltung ausgerechnet die Betreiber öffentlicher Verkehrsmittel solche Vorhaben: Das vom Verkehrsministerium beispielhaft präsentierte Wiener Modell einer gelungenen Verkehrswende (flächendeckendes Schienennetz, Jahresabo nur 365 Euro, Anwohnerparken kostenpflichtig)? Grauenvoll! Jeder Zweite ein Jahresticket? Wie sollten wir so viele Leute transportieren! Flatrate für alle? Da bräuchte man ja auch neue Strecken, mehr Fahrzeuge, mehr geldgieriges Personal!

Der Eindruck drängt sich auf, dass diejenigen, die eigentlich der Motor der Verkehrswende sein müssten, aus Angst vor zu großem Erfolg vorsorglich auf der Bremse stehen.

Die Politik und die von ihr beaufsichtigten Verkehrsverbünde sollten sich von alten neoliberalen Thesen verabschieden. Der Verkehrsverbund RMV ist kein „profit center“. Ein vorgegebener Deckungsbeitrag darf kein einschnürendes Korsett fürs Verkehrsangebot und die Ticketpreise sein. Es geht um die effiziente Bedienung der gesamten Transportnachfrage einer Region. Land, Kreise, Kommunen und Regionalverband müssen unter Berücksichtigung aller relevanten Kosten ein optimales Angebot ermitteln. Dazu gehört auch, den öffentlichen Verkehrsraum effizient auf die Verkehrsteilnehmer aufzuteilen und dessen Nutzung in Rechnung zu stellen. Neben Betriebs- und Zeitkosten sind auch Umwelt-, Klima- und Lärmkosten einzubeziehen. Grundvoraussetzung für die Marktwirtschaft: Jeder bezahlt die Kosten, die er verursacht. Auch im Verkehr. Also auch die Autofahrer. Der erwartbare, inszenierte Aufschrei ihrer gut geölten Lobbymaschine kann darüber nicht hinwegtäuschen.

» In der Schweiz, in Kopenhagen, Wien, Freiburg und Amsterdam hat man es schon hingekriegt. «

Zugegeben: eine komplizierte Angelegenheit. Aber in der Schweiz, in Kopenhagen, Wien, Freiburg und Amsterdam hat man’s doch schon hingekriegt. Zudem liefert die Universität Kassel ein simples neues Tool zur Berechnung kommunaler Verkehrskosten, das schon mancher deutschen Großstadt zur Erkenntnis verholfen hat, wieviel Geld sie eigentlich in die verschiedenen Verkehrsmittel steckt. Ergebnis: in den Autoverkehr deutlich mehr als in Bahn, Tram, Bus und Rad.

Woanders ist es längst Alltag: Das ÖPNV-Jahresabo verdrängt den Führerschein als wichtigstes Dokument. Die Tram fährt im Minutentakt. Lange Doppelstockzüge rollen ins Umland. Ein dichtes Netz von Expressradwegen. Und fürs Laternenparken im Wohnquartier ist auch ein Jahresabo fällig. Für Hessen immer noch Utopie?

Werner Geiß, VCD-Landesvorstand

 

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